28.07.2019

Helene schrieb so schön:
"... und sie ist auch Selbstversorgerin, das heißt sie (kann) sich was aus dem Garten ernten."

Selbstversorgung ist tatsächlich sehr viel mehr.

Es ist eigentlich eine Lebenseinstellung und auch eine Wirtschaftsform (Subsistenzwirtschaft), bei der ich mich zwangsläufig als Teil der Natur begreifen muss, will ich an diesem Ort mit diesem Klima mit diesem Boden und dieser Nachbarschaft usw. ein gutes Leben führen. Ich muß mich überhaupt damit beschäftigen: "Was ist ein gutes Leben?" Als erstes steht die Frage: "Was brauche ich wirklich?" und dann "Wie erreiche ich das auf dem einfachsten und effektivsten Weg?" Dann spielt die Nachbarschaft eine große Rolle. In einer Subsistenzwirtschaft gibt es ein stabiles nachbarschaftliches Versorgungsnetz auf Gegenseitigkeit. Ich muß nicht alles alleine machen, aber der Wert dessen was ich mache ist ein anderer, als der, wenn ich meine Leistung verkaufen muß, um andere Leistungen einkaufen zu können. Daher kann wirkliche Selbstversorgung in Deutschland nicht mehr funktionieren.

Beispiel Ei: Wenn ich als Selbstversorgerin alles habe, was ich brauche, bin ich nicht darauf angewiesen, meine Eier zu verkaufen. Ich kann sie auch verschenken, weil ich sie übrig habe, ich kann sie aber auch zu dem wirklichen Preis verkaufen oder tauschen, die sie mir verursacht haben. Aber ich bin nicht darauf angewiesen, sie zu verkaufen, weil ich ja alles habe. Ich kann sie auch wieder den Küken füttern oder sie verschenken.

Wenn ich mich auf Eierproduktion spezialisiert habe, habe ich nur Eier. Damit bin ich gezwungen, alles andere, was ich brauche, einzukaufen. Daher MUSS ich meine Eier verkaufen und ich muß den Preis akzeptieren, den der Markt mir bietet. Es sei denn, außer mir hat niemand sonst Eier. Dann kann ich den Preis bestimmen. Das bedeutet im ersten Fall: Die VerbraucherInnen haben die ProduzentInnen in der Hand, folglich kann der Preis unter den Erzeugungspreis sinken. Was in der sog. "Urproduktion" im globalisierten Deutschland sowieso der Fall ist, daher braucht die Landwirtschaft so viele Subventionen. Das bedeutet im zweiten Fall: Als Eierproduzent müßte ich alles daran setzen, alleiniger Eierproduzent zu werden, damit ich den Preis bestimmen kann. Dieses Phänomen beobachten wir natürlich auch überall. Auch in der Eierbranche: Nur eine handvoll Firmen bestimmen WELTWEIT die Hybridhühnerzucht. Es gibt in der Landwirtschaft nur noch Hybridhühner und ihre Folgen. Und damit sind wir automatisch bei der Massentierhaltung.

Außer bei solchen kleinen Höfen, wie meiner, die aber kaum noch existieren (können). Bei diesem Überangebot an Eiern, bekomme ich auf dem Markt nicht den Preis für meine Eier, die sie mir verursacht haben. Ich muß den akzeptieren, der hier landläufig für Bioeier bezahlt wird, sonst kann ich die Eier gleich wieder den Küken geben, was nicht weiter schlimm wäre, wenn ich sonst nichts bezahlen müßte, weil ich als Selbstversorgerin ja alles habe. Allerdings habe ich gezwungener Maßen in dieser Gesellschaft monatliche und jährliche Kosten, die ich mit Geld begleichen muß. Und wenn dort Eier als Währung akzeptiert wären, würden sie auch einen Preis bekommen, den nicht ich bestimmen würde.

Das wäre dann bestimmt der Käfighuhneipreis. Es kommt niemand mehr vorbei und zieht den Zehnten meiner tatsächlichen Ernte ein.

Ich halte historische, vom Aussterben bedrohte Nutztiere möglichst nahe an den Umständen, wie sie einst entstanden sind. Das ist die Subsistenzwirtschaft. Durch diese alte Art von Landwirtschaft entsteht eine unglaubliche Artenvielfalt. Viele Naturbeobachter und -fotografen kommen deswegen hierher.

Einige Gäste meines Hofes stellen vorwurfsvoll die Frage beim Anblick meiner Tiere: "und die kannst Du schlachten?" Niemals zuvor wären Menschen auf die Idee gekommen, solche Fragen zu stellen. Nur heute, wo wir alles, was wir brauchen (und so vielzuviel mehr) von weit her einführen, oder unter industriellen Bedingungen produzieren lassen, sind den meisten Menschen die vielen Tode, die dadurch gestorben werden, nicht mehr bewußt.

Lebe ich lokal, brauche ich hier Wohnung, Heizung, Kleidung, Nahrung. Dafür müssen hier Bäume gefällt und Tiere getötet werden. Aber nur deswegen können auch wieder welche nachwachsen. Und nur deswegen werden neue Lebensräume – tausendfaches Leben – geschaffen. Ohne Waldwirtschaft hier keine Eichen mehr, keine Eichenzipfelfalter.... - ohne
Landwirtschaft keine Weidetiere, keine Schwalben, keine Störche, ... - ohne Schafe, keine Steinkäuze,.... Alles hängt mit allem zusammen und wir spielen dabei immer eine Rolle.

Andrea Funcke